Ein Kommentar von Jan Langela.
Die Katze ist aus dem Sack: Kyle Beach ist der ehemalige Chicago-Blackhawks-Spieler, der seit elf Jahren versucht gegen eine Mauer des Schweigens anzugehen und dem damaligen Video-Coach Brad Aldrich des sexuellen Missbrauchs bezichtigt.
Und wenn man den gestern veröffentlichten Bericht der neutralen Anwaltskanzlei Jenner gelesen hat (in dem Kyle Beach noch „John Doe“ genannt wird, das amerikanische Pendant für „Max Mustermann“), besteht an den Vorwürfen kein Zweifel.
Im Gegenteil.
Nicht nur der wirklich krasse Übergriff ist wohl genau so geschehen, sondern auch der Versuch seitens der Blackhawks die Sache unter den Tisch zu kehren, um das damals anstehende Stanley-Cup-Finale gegen die Philadelphia Flyers nicht zu stören. Mittendrin der damals recht neue General Manager Stan Bowman (Sohn der Trainer-Legende Scotty Bowman) und Coach-Legende Joel Quenneville (seit zwei Jahren Coach bei den Florida Panthers).
Die Details, die seit gestern ans Licht gekommen sind, werden die Blackhawks in ihren Grundfesten erschüttern. Bowman ist bereits zurückgetreten, Quenneville wird in Florida kaum zu halten sein und meiner Meinung nach nie wieder ein NHL-Team coachen.
Auch die Rolle der damaligen Mitspieler von Kyle Beach wird ab jetzt unter die Lupe genommen werden müssen. Denn nach dem Missbrauchsfall hatte sich dieser anscheinend schnell in der Kabine und innerhalb der Organisation rumgesprochen.
Doch der Klub tat nichts, um Beach zu unterstützen und wollte die Sache unter den Teppich kehren. Und viele seiner Mitspieler? Die hatten nichts besseres zu tun, als ihn mit billigen homophonen Sprüchen zu belegen. Kyle Beach ist nicht homosexuell, sondern Opfer eines sexuellen Übergriffs übelster Art von einer Person, die ihm eigentlich helfen sollte, ein besserer Spieler zu werden.
Im Netz wird bereits die Rolle von Jonathan Toews, Patrick Kane, Brent Seabrook oder Duncan Keith diskutiert. Sie müssen es, wie der Rest vom Team, mitbekommen haben. Haben sie weggeschaut, haben sie aktiv eine Rolle gespielt?
Viele Blackhawks-Fans kündigen im Netz bereits ihre Anhängerschaft für den Klub ihres Herzens. Die Tatsache, dass die gesamte Organisation den (Stanley-Cup-)Erfolg über das Wohl eines ihrer Teammitglieder gestellt hat, lässt alle drei Cup-Gewinne aus dieser Ära in einem dunklen Licht erscheinen.
Kyle Beach hat nie ein NHL-Punktspiel für die Blackhawks bestritten, lediglich Vorbereitungsspiele. Während der damaligen NHL-Playoffs wurde er aber vom Farmteam als sogenanntes Black Ace berufen: eine Gruppe von Prospects, die mit dem Team reisen und bereitstehen, wenn einer aus der Stammformation ausfallen sollte. Trotzdem war er einer von ihnen und wurde, nachdem er sich der Organisation anvertraut hatte, fallengelassen.
Brad Aldrich, der Video-Coach, wurde in aller Stille nach dem Cup-Gewinn von seinen Aufgaben entbunden, durfte noch fröhlich mit auf die Parade und seinen Tag mit dem Cup verbringen. Anschließend war Aldrich noch für Hockey USA und Eishockey-Nachwuchs in Michigan tätig, wo er erneut übergriffig und dafür auch verurteilt wurde. Dort traf es einen 16-jährigen.
Kyle Beach war 20, als Aldrich ihn unter Androhung seine Karriere zu zerstören, sexuell missbrauchte.
Einer der wenigen, die Kyle Beach glaubten und nicht aufgaben im Dreck zu wühlen, war der Journalist Rick Westhead von TSN. In einem Fernsehinterview outet sich Kyle Beach als der betroffene Spieler und versucht seine Gefühle in Worte zu fassen.
Spätestens danach wird klar, dass die Blackhawks, Quenneville, Kane, Toews und eventuell auch Gary Bettmann in genau diesem Augenblick begreifen, dass sie vor elf Jahren nicht alle so gehandelt haben, wie sie es hätten tun sollen.